Digitalisierung und Dialogisierung der Kommunalpolitik: Dieses Thema mobilisierte rund 80 politische Akteure für die 7. Ostschweizer Gemeindetagung. Nach Gossau eingeladen hatte das Ostschweizer Zentrum für Gemeinden OZG der FHS St.Gallen. Die beiden Einführungsreferate steuerten Adrienne Fichter und ich bei.

Im zweiten Teil der Veranstaltung wurden Projekte aus Gemeinden vorgestellt, die Themen reichten von Jugendpartizipation bis Nachbarschaftsplattform. Sara Kurmann, Politologin, Studienleiterin und Co-Leiterin des OZG, führte als Moderatorin durch die Veranstaltung (Foto).

Adrienne Fichter, Politologin, Republik-Redaktorin und bekannte Autorin, zeigte pointiert und zahlengestützt auf, wie Soziale Medien politische Kampagnen prägen und Diskurse beeinflussen. Beispielsweise verdeutlichte sie den Einfluss des soziodemografischen und semantischen Targetings für Prozesse politischer Meinungsbildung. In ihrem soeben erschienen Buch wird dieses Phänomen vertieft (erschienen im NZZ Libro-Verlag).

In meinem Referat ging es um die Phänomene Kontrollverlust, Matching-Design und Soziale Eichung. Mittels dieser drei Begriffe versuche ich, das Umwälzungspotenzial von Internet-Entwicklungen greifbar zu machen.

Kontrollverlust: Alle Versuche, das Internet auf Zeit zu kontrollieren, führen früher oder später in die Absurdität. Denn das Dezentrale ist Wesensmerkmal dieses Netzes und die Vorstellung eines zentralisierten Zugriffs muss versagen. Allerdings sind die globalen Plattformen daran, das Internet von „innen“ her zu dominieren. Die Macht der Plattformen kompensiert das Versagen staatlicher Gestaltungsansprüche, eine Entwicklung, die demokratiepolitisch äusserst fragwürdig ist. (Update: Die letzten beiden Sätze sind eine Reaktion auf den Tweet von Adrienne und nachträglich beigefügt.)

Mit dem Begriff des Matching-Designs verweise ich auf den Spieltheoretiker Alvin E. Roth. Alle Märkte, in denen Passgenauigkeit, Transferdichte und Algorithmisierung zusammenspielen, werden umgewälzt. Dabei muss differenziert werden: Gemeint ist eine Passgenauigkeit, die über den Preis allein nicht regulierbar ist. Die Plattform für Unterkünfte AirBnB kann als Beispiel dienen: Die Passgenauigkeit von Erwartung und Angebot ist bei Unterkünften erfolgsentscheidend und es braucht eine kritische Transferdichte, eine Menge von aktiven Nachfragern und Anbietern, bis dieses Modell funktioniert. Schliesslich ist der Vermittlungsprozess selbst algorithmisierbar. Der selbe Mechanismus greift bei Finanzanlagen, Studienplätzen, teilweise im Gesundheitswesen oder im Buchhandel.

Soziale Eichung schliesslich bezeichnet den Prozess der Prüfung von Vertrauenswürdigkeit in Sozialen Netzwerken. Wenn mein Freund einen Freund kennt, dem er vertraut und wenn dieser Freund des Freundes Arzt ist, kann dieser für mich zur Adresse bei medizinischen Fragen werden. Mikroskopisch lässt sich in solchen Situationen der Prozess der Kommunikation beobachten, der Vertrauenswürdigkeit prüft bzw. schafft.

Technologische und soziale Entwicklungen greifen ineinander und es geht darum, diese Verschränktheit der Prozesse zu verstehen. Begriffe wie Digitalisierung oder Analogisierung (Referat von Mark Riklin) sind nicht geeignet, nicht leistungsstark genug, dies zu fassen. In meinem Referat ging ich auch auf die Problematik der Mainstream-Begriffe ein.

Ich nahm am Workshop zur Nachbarschaftsplattform Fuerenand.ch teil. Aufgrund der Tagungsstruktur war es nur möglich, an einem Workshop teilzunehmen. Anregend wurde diskutiert, inwieweit mit einem solchen Angebot eine Nische besetzt werden kann, ein Bereich, den die „grossen“ Plattformen nicht besetzen. Für mich geht es um die Nische des „sozialen Mikrokosmos“, um das Hyperlokale. Genauer kennengelernt habe ich auch 2324.ch, den „digitalen Dorfplatz“.

Vielen Dank an das OZG-Team der FHS-St.Gallen für die Einladung.