Friedrich Kittler

Einer der wichtigsten – wie soll ich sagen? – „Mentoren“ für mich, der mein Denken stark beeinflusst hat, ist Friedrich Kittler. Ab 1993 war er Professor für Ästhetik und Medientheorie („Geschichte der Medien“) an der Humboldt Universität in Berlin. Er starb am 18. Oktober 2011 in Berlin, heute ist sein Todestag. Friedrich Kittler war „einer der einflussreichsten und bedeutendsten deutschen Medientheoretiker und Begründer der Berliner Schule der Medienwissenschaft„, wie die Universität im Nachruf schreibt.

Sein „Dracula-Text“ beispielsweise ist für mich eine Inspirationsquelle geblieben. Aus diesem (Seite 16) stammt das Wort:

„Das Wort der Liebe wird gesendet, wird empfangen, wird von den Empfängern wieder gesendet, vom Sender wieder empfangen undsoweiter undsoweiter, bis die Regelschleifenverstärkung jenen Wert erreicht, der in der Wechselstromtheorie Schwingbedingung und im kurrenten Diskurs Liebe heißt.“

Gerade dort, wo Kittlers Aussagen verwegen wirken, erreichen sie ihre Qualität. Oder um ihn aus einer Vorlesung zu zitieren: „Man muss vieles härter denken…“

Serge Gainsbourg

„Mir ist alles gelungen – nur mein Leben nicht.“

Gainsbourg beeinflussste als Chansonnier, Komponist und Schauspieler weit über Paris und Frankreich hinaus die Kulturszene seiner Zeit. Er hat sich immer wieder Skandale gegönnt. Am 2. März 1991, vor 33 Jahren, ist er in Paris gestorben

Das 1967 aufgenommene Lied Je t’aime … moi non plus mit Jane Birkin hat es auf den Index von Radiosendern geschafft. Im Lied wird gestöhnt, ach ja, gestöhnt, und der Kleinbürger mag das Stöhnen nur in Hinterzimmern hören.

Ingrid Steeger

Ingrid Steeger hat, als ich Kind war, das, was wir glaubten, es sei Sex, in unser Wohnzimmer gebracht. Danke, Ingrid. Heute wissen wir: Es war Sex.

Ingrid Steeger ist am 23. Dezember 2023 in Bad Hersfeld im Alter von 76 Jahren gestorben. 2010 hat sie sich von der Bühne verabschiedet.

Abschied von MacGowan

Der Pogues-Sänger Shane MacGowan ist im Alter von 65 Jahren gestorben. Er war ein einzigartiger Songwriter, kompromisslos, chaotisch, charismatisch. Nick Cave und er waren befreundet und sind auch zusammen aufgetreten. Ich erinnere mich mit Respekt, Wehmut und Begeisterung an ihn und seine hymnischen Lieder.

Am 8. Dezember 2023 fand die Trauerfeier in der St. Mary’s of the Rosary Church im irischen Nenagh statt. Nick Cave sang A Rainy Night In Soho. Die Trauerfeier dauerte zweieinhalb Stunden. Tausende säumten die Strassen und sangen MacGowans Hymnen, gaben ihm die letzte Ehre.

Milena Jesenská

Heute hat Milena Jesenská Geburtstag (1896). Sie war Autorin und Journalistin, bekannt geworden ist sie auch als Kafkas Freundin („Briefe an Milena“). Sie war Franz Kafkas „zweite grosse Liebe“, wie es beim Text über sie im Kafka-Museum heisst. Ihr Vater hat sie wegen eines Liebesverhältnisses mit dem jüdischen Bohemien Ernst Polak in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Aus der Klinik entlassen, heiratete sie Polak (Quelle: Wikipedia, 10.8.2023) Zur Zeit, als sich die Ehe zu Polak „aufzulösen“ begann, lernte sie Kafka kennen.

„Wenn man zwei oder drei Menschen hat, aber was sage ich denn, wenn man nur einen einzigen Menschen hat, dem gegenüber man schwach, armselig und zerknirscht sein darf und der einem dafür nicht weh tut, dann ist man reich.“

Sie kämpfte gegen die Nazis und wurde 1939 nach Ravensbrück verschleppt. Dort starb sie am 17.5.1944.

Herbert Marcuse

Erinnere mich, wann und wo ich das Buch „Der eindimensionale Mensch“ von Herbert Marcuse las. Ich war zu jung und das Buch zu kompliziert für mich. Doch einige Textstellen haben mich weit über das Leseerlebnis hinaus gebracht.

„Der Tauschwert zählt, nicht der Wahrheitswert. In ihm fasst sich die Rationalität des Status quo zusammen, und alle andersartige Rationalität wird ihr unterworfen.“

Heute vor 44 Jahren ist Herbert Marcuse gestorben. Er arbeitete am bekannten Institut für Sozialforschung, teilweie mit Horkheimer zusammen. Habermas hat ihn als „Heidegger-Marxisten“ bezeichnet. Später unterstützte Marcuse den studentischen Protest der 68er Jahre. Streibar und umstritten, engagiert und zuweilen polemisch.

Herr und Frau Müller

Die „Müller-Sendung“ des Schweizer Fernsehens ist zu einem Meilenstein der SRF-Geschichte geworden. Wir verwenden sie übrigens für Lehrzwecke in der Medientheorie.

Mitten in den Jugendunruhen der 80er Jahre nehmen eine Aktivistin und ein Aktivist der Jugendbewegung an der TV-Diskussion teil. Zuvor gab es Ausschreitungen und einen Polizeieinsatz, der unterschiedlich bewertet wurde. Die Auseinandersetzung entbrannte einmal mehr um das AJZ, um das Autonome Jugendzentrum Zürich. Dieses war Kernpunkt der Zürcher Jugendbewegung.

Die Aktivistin und der Aktivist schlüpften in die Rolle der „Müllers“ und karikieren die Gegenseite. Die Polizei habe zu kleine Gummigeschosse verwendet, argumentieren sie. „Weshalb nicht einfach Schliessung des AJZ?“ Es kommt zu grotesken Szenen während der Sendung. Überfordert ist nicht nur der Moderator, für den man zuweilen Mitleid entwickeln kann.

Die Sendung wird schliesslich „gesprengt“, vorzeitig abgebrochen. Die Boulevard-Zeitung BLICK nennt in der Folge die bürgerlichen Namen der „Müllers“ und ermöglicht damit die Hetzjagd auf die beiden. Vor allem die Frau ist davon betroffen.

„Herr Müller“, Fredy Meier, ist in diesen Tagen im Alter von 67 Jahren gestorben. Der eine Medienevent hat seine Biografie geprägt.

Müller-Sendung aus dem Archiv des SRF…

Peter Gross gestorben

Peter Gross hatte 1989 bis zu seiner Emeritierung 2006 den Lehrstuhl für Soziologie an der Universität St. Gallen inne. Von 1996 bis 1998 war er Dekan der Volkswirtschaftlichen Abteilung. Mit seinen Arbeiten zur „Multioptionsgesellschaft“ (Buch, 1996 erschienen, 10. Auflage 2005) ist er über den soziologischen Dunstkreis hinaus bekannt geworden. In den Siebziger Jahren engagierte sich Peter Gross während acht Jahren für die Sozialdemokraten im Thurgauer Kantonsrat.

2015 erschien sein „persönlichstes“ Buch: „Ich muss sterben – im Leid die Liebe neu erfahren“. Es beschäftigt sich mit dem Sterben seiner Frau Ursula. 2016 wurde Gross mit dem Grossen Kulturpreis der St. Galler Kulturstiftung ausgezeichnet.

Durch meine Tätigkeit in St. Gallen (FHS St. Gallen) habe ich ihn öfters im direkten Kontakt erlebt. Denke gerne daran zurück.

Witold Pilecki

Von einem Menschen nur ist bekannt, dass er sich freiwillig ins KZ Auschwitz einschleusen lies: Witold Pilecki. Er organisierte in Auschwitz den Widerstand der Häftlinge und informierte die Aussenwelt über die Gräueltaten. Als Mitglied der „Geheimen Polnischen Armee“ war er für die Organisation des Widerstandes gegen das Nazi-Regime zuständig. Nach 945 Tagen im Lager (Quelle Wikipedia, 26.4.2023) flüchtete er aus Auschwitz. Er wollte die Aufdeckung seiner Mission verhindern. Die Flucht gelang, weil er sich zuvor in einen Aussenbetrieb des Lagers, eine Bäckerei, versetzen lassen konnte.

Auschwitz: „Hier wurden mir die ersten zwei Zähne ausgeschlagen, weil ich das Schild mit meiner Häftlingsnummer in der Hand hielt und nicht zwischen den Zähnen…“ (Quelle MDR-Doku, 17.1.2023)

Nach dem Krieg setzte er sich für die Aufdeckung sowjetischer Gräueltaten ein und wurde schliesslich im sowjetisch besetzten Polen zum Tod verurteilt. Am 25. Mai 1948 würde er hingerichtet. Postum wurde er mehrfach geehrt.

Nachruf

Der Tod von Daniel Hürlimann, Professor für Rechtsinformatik und Vorkämpfer der Open-Access-Bewegung, hat viele, auch mich, erschüttert. Kollege Reinhard Riedl von der Berner Fachhochschule (BFH) würdigt den Verstorbenen in einem Nachruf, der im Wissenschaftsmagazin Society Byte erschienen ist.

Kottkes Jubiläum

Seit 15 Jahren führt der heute 47-jährige Jason Kottke, ausgebildeter Webdesigner, sein Blog in Vollzeit. Ungezählt sind die Blogs und Plattformen, die in dieser Zeit verschwunden sind. Kottke.org ist geblieben, obwohl oder gerade weil Jason nie gross aufgetischt hat. Das Blog wurde inzwischen mehrfach ausgezeichnet und gehört zu den meist frequentierten des Internets.

Seit drei Jahren finanziert sich kottke.org wieder über ein Crowdfunding-Modell. Nebst Ads-Einnahmen ist dies die Haupteinnahmequelle. Natürlich fehlt bei kottke.org der Artikel zum 15. Jahrestag nicht.